Crip Time

Folgenden Text hat Lian für die Broschüre „VerRücktes Klima – BeHinderte Lösungen“ geschrieben. Die Broschüre wurde von der BUNDjugend herausgegeben und kann gegen Versandkosten als Druckausgabe bestellt, als PDF heruntergeladen, oder als Audioversion angehört werden:

https://www.bundjugend.de/produkt/sammelband-verruecktes-klima-behinderte-loesungen/

https://fyyd.de/podcast/verruecktes-klima-behinderte-loesungen/0

Ich versuche oft das Thema Zugang und Ableismus in (Klima)Kämpfe einzubringen. Immer wieder wird mir dann gesagt „Oh, sorry, wir machen schon so viel und sind alle so ausgebrannt, das schaffen wir jetzt nicht auch noch!“ Das ist nicht nur nicht wirklich ehrlich, weil es ja eine Prioritätenfrage ist, worein mensch seine Energie steckt. Also wäre es dann ehrlicher zu sagen „Hey, sorry, Barrierefreiheit ist uns gerade nicht so wichtig.” Das wollen viele nicht sagen, weil es ja das
coole linke offene Selbstbild zu erhalten gilt. Und gegen Behinderte haben sie ja nichts, das muss doch reichen! Bloß, reicht es halt nicht, nichts gegen Behinderte zu haben, wenn mensch verinnerlichten Ableismus nicht bearbeitet und nichts an den behindernden Strukturen ändert um Zugang zu schaffen. Es ist also unehrlich und zudem denke ich mir dann immer: „Tja, wenn ihr mehr behinderte Menschen in euren Gruppen hättet, dann würdet ihr vielleicht nicht so sehr ausbrennen.”

Behinderte haben das Konzept der Crip Time erfunden. Die Idee dabei ist, dass nicht wir uns an die Gegebenheiten und die vorgegebenen Zeitfenster anpassen müssen, sondern dass sich die Gegebenheiten uns und unseren Bedürfnissen anpassen müssen. Etwas, das gut zum nachhaltigen Aktivismus passt, wo Menschen ebenfalls nahegelegt wird, nicht über ihre Grenzen zu gehen. Oft reproduzieren wir in unseren antikapitalistischen Kämpfen Muster, die genau der Leistungsgesellschaft entspringen, die wir eigentlich ablehnen. Zum Beispiel schätzen wir Menschen mehr wert die (viel) leisten können, und auch was überhaupt als Leistung angesehen wird ist von kapitalistischen Mustern geprägt: Care Aufgaben werden oft weniger gefeiert als Aktionen zu machen.

Und ja, Behinderte haben von sich aus Körper, die sich der kapitalistischen Verwertungslogik entziehen. Mein Körper ist also der Inbegriff der Kapitalismuskritik. Dafür, und für vieles andere solltet ihr uns Behinderte feiern und bitte aufhören uns immer nur als noch ein schwieriges und anstrengendes Thema zu sehen!

By the way, ist es auch gar nicht so schwer Gruppen zugänglicher zu machen. Es ist wie gesagt eine Frage des Willens und der Priorisierung. Ich habe mich mittlerweile vom Klimaaktivismus weitestgehend verabschiedet, obwohl die Klimakrise mich als Behinderte besonders hart trifft: Schon jetzt macht mir die Hitze viel mehr zu schaffen als in Zeiten, in denen ich noch gesünder war, und dass Behinderte in akuten Katastrophen eher getroffen werden, sollte spätestens nach der Flutkatastrophe im Ahrtal und Sinzig allen hier klar sein. Und wenn schon in einem der technisch reichsten Länder Behinderte bei Katastrophen (und auch sonst) kaum bedacht werden sieht die Situation für die 80% der behinderten Menschen weltweit, die im globalen Süden leben, noch düsterer aus. Denn dort sind die Auswirkungen der
Klimakrise bekanntlich noch wesentlich schlimmer.

Ich organisiere mich jetzt unter anderem mit einer Gruppe, die zum Thema Behinderung arbeitet und mehrheitlich aus Menschen mit sehr unterschiedlichen Behinderungen besteht. Und wir kriegen das hin. Wir machen auch Fehler, aber wir kriegen das hin. Und zwar gut.

Und wieso?

Weil wir fast alle unschöne Erfahrungen damit gemacht haben, ausgeschlossen worden zu sein, und es uns deshalb wichtig ist, dass alle mitmachen können.

Weil wir offen dafür sind, von den Bedürfnissen der anderen zu hören und darauf einzugehen.

Wir kriegen das hin, obwohl wir mehrheitlich eingeschränkt sind. Junge, überwiegend doch recht privilegierte Klimabewegung, ihr kriegt das auch hin, wenn ihr wollt.

PS: Ein guter Anfang ist es, die behinderten Menschen, die noch oder schon in euren Gruppen sind, zu fragen, wie es ihnen so geht und wie der Zugang für sie besser werden könnte. Denn, wie SchwarzRund sagt: In jeder Gruppe sind Behinderte, ihr seht sie nur nicht, weil viele Behinderungen unsichtbar bzw nicht offensichtlich sichtbar sind und Menschen aus verschiedenen Gründen nicht darüber reden. Also fangt damit an Räume zu öffnen, über Bedürfnisse zu reden.

Rezension und Kommentar zu „Black Disability Politics“ von Sami Schalk

Ich habe gerade „Black Disability Politics“ von Sami Schalk gelesen. Ich glaube dieses Buch ist unglaublich wichtig für aktivistische Gruppen und Bewegungen, und ich ermutige jede*n es zu lesen1! Bisher ist es nur auf Englisch erschienen, und deswegen wollte ich einige wichtige Punkte mit euch teilen. Sami Schalk befasst sich mit der Frage, wie das Thema Behinderung in Schwarzem Organisieren behandelt wurde, in der Vergangenheit wie auch heute. Um diese Rezension in Perspektive zu setzen: ich schreibe als eine weiße, queere nichtbinäre, neurodivergente und körperlich nicht-behinderte Person, geboren und wohnhaft im West-Europa.

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Book Review: „Black Disability Politics“ by Sami Schalk

I just finished reading „Black Disability Politics“ by Sami Schalk and wanted to share some things I’ve learned. This is a very important book for activist groups and movements and I would encourage everyone to get a copy (it is also available for free)1! Sami Schalk examines how the subject of disability was dealt with in past and present Black activist organising. To put this review into perspective, I am writing this as a white, queer nonbinary, neurodivergent and physically non-disabled person born and living in western Europe.

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A film about resistance and empowerment